Im August 2018 endet das laufende Kreditpaket der institutionellen Gläubiger Griechenlands. Das bedeutet allerdings nicht, dass damit für die jeweiligen griechischen Regierungen absolute Handlungsfreiheit herrscht. Mit dem so genannten dritten Memorandum ist das Land bis zur Abzahlung der Kredite, bis 2060, unter die Kontrolle von ESM, EU und dem Internationalen Währungsfonds gestellt.

Bis dahin müssen die griechischen Finanzminister alljährlich einen Haushaltsüberschuss erwirtschaften. Trotzdem hält die Regierung von Alexis Tsipras auch weiterhin an der Geschichte über ein „sauberes Ende der Memoranden“ fest.

Pläne für den Fall der Fälle

Der Abschluss der laufenden, dritten Inspektion des aktuellen Kreditprogramms war auf Ende Mai terminiert worden. Bereits jetzt ist davon die Rede, dass es bis Ende Juni dauern könnte. Selbst dann ist nicht sicher, ob Griechenland bis zu diesem Zeitpunkt sämtliche der 88 Bedingungen der Inspektion erfüllen kann. Die Kreditgeber erarbeiten bereits einen Plan für diesen Fall. Die größten Verzögerungen gibt es auf dem Sektor der Privatisierungen.

Als vor knapp acht Jahren, im Mai 2010 die Sparmemoranden begannen, hatte Griechenland Staatschulden in der Größenordnung von 129 Prozent. Das Jahr zuvor war mit einer Schuldenquote von 126,7 Prozent abgeschlossen worden. Heute bewegt sich der Schuldenquotient in schwindelnden Höhen um 180 Prozent und knapp 330 Milliarden Euro.

Nicht nur Schulden, auch Arbeitslosigkeit weiter auf Weltmeisterniveau

Unter dem Sparprogramm hat vor allem die Realwirtschaft gelitten. Griechenland „streitet“ sich bei Arbeitslosenquote mit Südafrika um die Weltmeisterschaft. Griechenland hat eine offizielle Quote von 20,8 Prozent, Südafrikas Arbeitslosigkeit liegt bei 27 Prozent. Es folgen Nigeria mit 18,8 Prozent und Spanien mit 16,5 Prozent.

Die Europameisterschaft bei der Jugendarbeitslosigkeit ist den Griechen mit 45 Prozent dagegen sicher. Auf den nächsten Plätzen folgen Spanien mit 36 Prozent und Serbien mit 33 Prozent. Die Zahlen haben sich unter Tsipras leicht verbessert. Allerdings sind die neuen Arbeitsplätze in Hellas in der Regel Teilzeitjobs mit Monatslöhnen um 380 Euro.

Durchschnittlicher Stundenlohn niedriger als vor der Krise

Die Griechen haben durch Steuern, Abgaben und Kürzungen in der Krise einen Großteil ihres Einkommens eingebüßt. Dazu kam ein Kaufkraftverlust durch erhöhte Mehrwertsteuersätze. Trotzdem ist die Produktivität im Vergleich zu den direkten Konkurrenten nicht gestiegen. Laut Eurostat betragen die Lohnkosten samt Abgaben in Griechenland 14,5 Euro pro Stunde.

Der Durchschnitt der Eurozone liegt bei 30,3 Euro pro Stunde. Im benachbarten Bulgarien liegen die Kosten bei 4,9 Euro pro Stunde, in Rumänien bei 6,3 Euro. In Ungarn kostet die Arbeitsstunde 9,1 Euro, in Litauen 8 Euro und in Lettland 8,1 Euro.

Vor der Krise, 2008 lagen die Lohnstundenkosten in Griechenland bei 16,8 Euro. Die Belastung durch Sozialversicherungsabgaben liegt heute in Hellas auf dem gleichen Niveau wie der Durchschnittswert der Eurozone, bei 25,7 Prozent gegenüber 25,9 Prozent des EU-Durchschnitts.

Die preiswertesten Arbeitsstunden finden sich im Konstruktionsgewerbe mit 10,2 Euro. Eine Stunde im Dienstleistungsgewerbe kostet 14,3 Euro. Am teuersten ist die Industrie mit 15,3 Euro.

Brüsseler Alarmglocken schellen mit erheblicher Verzögerung

Eine weitere Wirtschaftskennzahl, das Wachstum, zeigte 2017 eine kleine Erholung. Allerdings können 1,7 Prozent Wachstum nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Energieverbrauch bei Kraftstoffen trotz steigender Touristik weiterhin absinkt. 2009 wurden 11,4 Millionen Tonnen flüssiger Kraftstoff verkauft, 2017 waren es nur noch weniger als sieben Millionen Tonnen. Mit Energiesparmaßnahmen hat das nichts zu tun, sondern vielmehr mit der Verarmung.

Jüngste Berechnungen der EU zeigen, dass trotz der niedrig verzinsten Hilfskredite die Schuldentragfähigkeit weiterhin in Zweifel steht. Schlimmer noch, die Schuldenquote könnte bis 2060 auf 244 Prozent steigen. Diese mögliche Entwicklung wurde von Kritikern der Austeritätspolitik zwar immer wieder als Argument ins Spiel gebracht, jedoch scheinen erst jetzt die Alarmglocken in Brüssel zu schellen.

Neuwahlen und weitere Austeritätsmaßnahmen bis Ende Sommer 2018?

Am 27. April soll die Eurogruppe über Maßnahmen diskutieren, welche das Horrorszenario verhindern könnten. Es wird also in der einen oder anderen Form Schuldenerleichterungen geben. Niemand in Athen ist so naiv, zu glauben, dass so etwas ohne weitere Auflagen möglich ist.

Tsipras und seine Minister reisen daher seit Wochen durchs Land und präsentieren bei Regionaltagungen zahlreiche Maßnahmen, die wie Wahlkampfgeschenke erscheinen. Statt eines sauberen Endes der Memoranden dürften bis zum Ende des Sommers 2018 neue Maßnahmen und Neuwahlen auf dem Programm stehen.

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